Selbständigkeit trotz Privatinsolvenz: Geht das?

Wer selbstständig ist, ist sein eigener Chef, muss keine Weisungen von anderen annehmen. Die Kehrseite der Medaille liegt in der Verantwortung. Der Selbstständige ist selbst für Erfolg oder Misserfolg seiner Unternehmung verantwortlich. Die Selbstständigkeit birgt viele Chancen, aber auch viele Risiken. Eines davon ist das Risiko einer Insolvenz. Dabei gibt es in der Bundesrepublik Deutschland zwei Arten von Insolvenzen: Privat- und Regelinsolvenz. Was sind die Unterschiede? Und wie steht es mit der Selbstständigkeit, während das Verfahren noch läuft?
 

Privatinsolvenz und Firmeninsolvenz – nur auf den ersten Blick verwirrend

Wer in Deutschland Insolvenz anmelden muss, kann nicht frei entscheiden, ob für ihn die Privat- oder die Firmeninsolvenz in Betracht kommt. Das ist sehr genau im deutschen Insolvenzrecht gesetzlich geregelt und unter bmjv.de nachzulesen. Die Firmeninsolvenz heißt auch Regelinsolvenz. Sie ist für alle Unternehmen und Personen, die aktuell als Selbstständige aktiv sind. Wer noch nie im Leben selbstständig war, muss eine Privatinsolvenz anmelden. Schuldner, die schon mindestens einmal selbstständig waren, dürfen nur dann eine Privatinsolvenz anmelden, wenn sie weniger als 19 Gläubiger haben. Offene Forderungen aus Arbeitsverhältnissen darf es dabei keine geben. Wer das Privatinsolvenzverfahren durchläuft, kann nicht selbstständig bleiben.

Selbstständige beantragen die Regel- oder Firmeninsolvenz. Es ist während des Verfahrens erlaubt, weiterhin seiner selbstständigen Tätigkeit nachzugehen. Natürliche Personen können am Ende des Verfahrens die Restschuldbefreiung erlangen.
 

Was bedeutet Restschuldbefreiung?

Kommt das Insolvenzverfahren zum Abschluss, befreit das Insolvenzgericht den Schuldner von der Zahlung der restlichen Schulden. Dies erfolgt in der Regel nach sechs Jahren. Schuldner können bereits nach drei Jahren eine vorzeitige Befreiung von der Restschuld beantragen. Wer Schulden aus vorsätzlich verübten, unerlaubten Handlungen hat, wie beispielsweise Bußgelder, muss diese in jedem Fall zurückzahlen. Hier gibt es keine Möglichkeit zur Restschuldbefreiung.
 

Was ist anders beim Regelinsolvenzverfahren?

Das normale Verbraucherinsolvenzverfahren und das Regelinsolvenzverfahren unterscheiden sich in wesentlichen Punkten:

  • Eine Regelinsolvenz dauert länger.

  • Das Verfahren der Regelinsolvenz verursacht höhere Kosten.

  • Die Befugnisse des Insolvenzverwalters sind wesentlich weiter gefasst bei einem Regelinsolvenzverfahren.

  • Selbstständige können eine vorzeitige Befreiung von der Restschuld beantragen und sich so schneller von den Schulden befreien lassen.
     

Privatinsolvenz – und jetzt?

Privatpersonen, die noch nie einer selbstständigen Tätigkeit nachgegangen sind, können Privatinsolvenz anmelden. Die Wohlverhaltensphase beginnt zu laufen. In dieser Zeit muss der privat insolvente Schuldner Geld an seine Gläubiger zahlen. Dazu muss er sich eine Erwerbstätigkeit suchen und ihr regelmäßig nachgehen.

Hier stellen sich dann viele Betroffene die Frage, ob sie sich während dieser Zeit auch selbstständig machen dürfen, um das erforderliche Geld zu verdienen. Es ist in der Tat so, dass Betroffene während das Insolvenzverfahren läuft, ein Gewerbe anmelden dürfen. Die selbstständige Tätigkeit ist eine Möglichkeit, das Einkommen zu sichern und eine angemessene Tätigkeit zu finden. Viele Insolvenzverwalter sehen die selbstständige Tätigkeit sehr positiv. Der Betroffene hat damit die Möglichkeit, ein Einkommen zu erwirtschaften und ist nicht auf staatliche Leistungen angewiesen. Wenn das Insolvenzverfahren abgeschlossen ist, gibt es keinen Grund, der gegen eine Selbstständigkeit spricht.
 

Was ist die Wohlverhaltensphase?

Das Insolvenzverfahren folgt ganz genauen Regeln, an die sich der Betroffene während dieser Wohlverhaltensphase strikt halten muss. Wer keine feste Arbeit hat, muss sich nachweislich um eine neue Arbeitsstelle kümmern. Betroffene dürfen keine zumutbaren Arbeiten ablehnen. Diese Phase beginnt, sobald das Insolvenzverfahren eröffnet wird und dauert zwischen drei und sechs Jahren.
 

Einkommenspfändung bei Selbstständigen

Während der Wohlverhaltensphase muss der Schuldner einen Teil seines Einkommens für die Begleichung seiner Schulden aufwenden. Das ist bei Arbeitnehmern sehr einfach. Sie verfügen über ein festes Einkommen. Das Insolvenzgericht pfändet das Einkommen bis zur Pfändungsfreigrenze, die in § 850 ZPO (Zivilprozessordnung) festgelegt ist, nachzulesen unter dejure.org.

Bei einem selbstständig Tätigen gestaltet sich das etwas schwieriger. Häufig schwankt das Einkommen sehr stark. Es ist im Voraus kaum möglich, das monatliche Einkommen zu prognostizieren. Deshalb geht der Insolvenzverwalter von einem fiktiven Einkommen aus, um den pfändbaren Anteil zu berechnen. Das fiktive Einkommen richtet sich nach dem Einkommenssatz, den der Schuldner beziehen würde, wenn er in einem Unternehmen angestellt wäre. Zusätzliche Faktoren spielen dabei eine Rolle, wie Alter, beruflicher Abschluss, Berufserfahrung, Familienverhältnisse, Daten der Agentur für Arbeit, Tarifverträge oder der Gesundheitszustand.

Wenn der Betroffene dieses fiktive Einkommen nicht erreicht, kann das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung versagen. Denn der Schuldner zahlt dann zu wenig Geld an den Insolvenzverwalter, um die ganzen Schulden zu begleichen. Das ist ein Verstoß gegen die Insolvenzregeln.

Tipp: Wer darüber nachdenkt, sich in einem laufenden Insolvenzverfahren selbstständig zu machen, sollte sich genau darüber informieren, wie hoch die monatlichen Zahlungen sind, die er leisten muss. Dazu kann es hilfreich sein, mit einem Anwalt zu sprechen. Dieser kann Chancen und Risiken im Einzelfall beurteilen. Dafür bewertet er nicht nur die Situation des Betroffenen. Er verschafft sich auch einen Eindruck vom Geschäftskonzept und von der Belastbarkeit. Darauf aufbauend stellt er einen Finanzplan auf, den der Schuldner tragen kann.
 

Hürden für den Selbstständigen

Selbstständige in einem laufenden Insolvenzverfahren müssen zudem mit weiteren Hürden rechnen. Damit kann effektives Arbeiten teilweise sehr schwierig werden. Mit der Insolvenz geht die Bonität erst einmal verloren. Der Betroffene erhält bei keiner Bank eine Kreditlinie und muss ohne Eigenkapital auskommen. Das bedeutet, dass er alles, was er von Lieferanten beziehen muss, wie Waren oder Dienstleistungen, immer in bar bezahlen muss. Das Insolvenzverfahren kann dazu führen, dass die Umsätze zurückgehen und Kunden abwandern, was die Liquidität weiter schmälern kann. Es besteht die Gefahr, dass der Betroffene erneut Schulden machen muss. Das ist unbedingt zu vermeiden.

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