Der Mindestlohn - Regeln und Formalitäten für Arbeitgeber

Mindestlohn Puzzleteil

Auf Beschluss der Großen Koalition hin gilt seit dem 1. Januar 2015 ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro brutto pro Arbeitsstunde. Arbeitgeber sind aber nicht nur verpflichtet, je nach Lage der Tarifverträge (dazu später mehr) diesen gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen: Sie müssen auch zahlreichen Formalitäten (Dokumentationspflichten) nachkommen, die im folgenden Beitrag kompakt erörtert werden sollen. Arbeitgeber sind buchstäblich gut beraten, sich einen Überblick über die aktuelle Rechtslage zu verschaffen und aktiv die Initiative zu ergreifen, um mitunter kostenintensiven Strafen und Nachzahlungen aus dem Weg zu gehen und den eigenen Ruf als guter Arbeitgeber nicht zu gefährden.

Was Arbeitgeber in diesem Beitrag über den Mindestlohn erfahren

Nach einer Einführung in die gesetzlichen und formalen Grundlagen sowie Ausnahmen wird es um die Gültigkeit des Mindestlohnes im Hinblick auf allgemeinverbindliche Tarifverträge gehen. Sodann werden Dokumentationspflichten praxisorientiert beleuchtet, die im betrieblichen Alltag die meiste Arbeit ausmachen dürften. Abgeschlossen werden die Betrachtungen mit einem Fazit und einer hilfreichen Zusammenfassung.
 

Die Grundregeln des eingeführten gesetzlichen Mindestlohnes: Ausnahmen sorgfältig prüfen

Die Basis für den seit Januar 2015 (in einigen Branchen gelten längere Übergangsfristen) zu zahlenden Mindestlohn in Höhe von 9,50 Euro (Stand 2021) bildet das Mindestlohngesetz (MiLoG). Demnach gilt der Mindestlohn nicht für Jugendliche unter 18 Jahren, die über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen sowie für Auszubildende gemäß Berufsbildungsgesetz und für Ehrenamtliche. Für Langzeitarbeitslose (1 Jahr oder länger) gilt der Mindestlohn nicht innerhalb der ersten 6 Monate des Beschäftigungsverhältnisses. Arbeitgeber sollten sich informieren, inwieweit sie von einem Tarifvertrag betroffen sind und inwieweit dies ein Abweichen vom allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn legitimiert. Zur Realität des eingeführten Mindestlohnes gehört es immer noch, dass in nicht wenigen Bereichen niedrigere Lohngrenzen völlig legal angesetzt werden können, bis auch diese Übergangsfristen voraussichtlich Ende 2017 auslaufen. Grundsätzlich besitzt der Mindestlohn seit 1.1.2015 auch für Saisonarbeiter in der Landwirtschaft Gültigkeit, wobei auch hier bis Ende 2018 eine Übergangsregelung gilt, der zufolge die Beschäftigung für 70 Tage als geringfügig und sozialabgabefrei gestaltet werden kann.
 

Professionelle Arbeitnehmer nehmen Verantwortung ernst: Wo finden sie Hilfe und verlässliche Informationen?

Ob bereits bzw. in welcher konkreten Höhe der Mindestlohn für ein Unternehmen gilt, kann nur aufgrund eines etwaigen Tarifvertrages oder anhand des Arbeitnehmerentsendegesetzes bestimmt werden. Letzteres sieht schon flächendeckende Mindestlöhne für bestimmte Branchen vor. Zuverlässige Informationsquellen sind die örtliche Industrie- und Handelskammer, die Homepages des Bundesarbeitsministeriums oder des Statistischen Bundesamtes (www.destatis.de). Auch in Fachpublikationen oder Zeitungsartikeln lassen sich online und offline nützliche Informationen gewinnen. Bei vorliegenden Zweifelsfällen und deren vertraglicher Gestaltung erscheint es sehr sinnvoll, einen Fachanwalt für Arbeitsrecht hinzuzuziehen.
 

Die schriftliche Fixierung des Lohnes im Arbeitsvertrag

Die Vergütung kann zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter grundsätzlich frei ausgehandelt werden, wobei mit dem Mindestlohn nun eine fixe Untergrenze vorgegeben ist. Sofern für den Betrieb keine Ausnahme/Übergangsregelung gilt, darf nicht weniger als 9,50 Euro brutto pro Arbeitsstunde gezahlt werden. In Zeiten des Fachkräftemangels können vorausschauende Arbeitgeber Mitarbeiter auch dadurch gewinnen, dass sie weit mehr als den Mindestlohn zahlen, sofern es die Tätigkeit und die betriebliche Situation zulassen. Die vereinbarte Vergütung wird schriftlich im Arbeitsvertrag fixiert. In älteren Arbeitsverträgen kann natürlich ein niedrigerer Stundenlohn vereinbart sein. Trotzdem hat der Mitarbeiter dann aufgrund der geltenden Rechtslage einen Anspruch auf den Mindestlohn. Mitarbeiter können den Mindestlohn übrigens auch rückwirkend einfordern (auch wenn sie aus dem Arbeitsverhältnis bereits ausgeschieden sind). Dies kann der Fall sein, wenn der Mindestlohn nicht wie gesetzlich vorgesehen sofort ab dem 1. Januar 2015 gezahlt wurde.
 

Ausnahmen von der Mindestlohnpflicht bei Praktika

Praktika sind nach wie vor ein beliebter Weg, um in einem Unternehmen Fuß zu fassen oder aber um wichtige Erfahrungen und Qualifikationen zu sammeln. Arbeitgeber können durch folgende Ausnahmen auch weiterhin die Arbeitskraft von Praktikanten nutzen. Ausnahmen von der allgemeinen Pflicht für den gesetzlichen Mindestlohn werden bei folgenden Fällen gemacht: kein Mindestlohn für Praktika, die verpflichtend im Rahmen der schulischen oder universitären Ausbildung geleistet werden kein Mindestlohn erforderlich für Praktika bis zu 3 Monaten, die als Orientierung im Vorfeld der Ausnahme einer Ausbildung der eines Studiums dienen Praktikanten, die bis zu 3 Monate ein Praktikum begleitend zum Studium oder einer Ausbildung leisten, haben keinen Anspruch auf den Mindestlohn für Teilnehmer einer so genannten Einstiegsqualifizierung oder Berufsausbildungsvorbereitung (vergleiche Paragraf 54 a des Dritten Sozialgesetzbuches) ist der Mindestlohn nicht zu gewähren Natürlich steht es Arbeitgebern frei, Praktika (auch oberhalb des Mindestlohnes) zu vergüten.
 

Formale Erfordernisse: die Dokumentationspflicht mit Blick auf die Arbeitszeit

Die vorgesehene Dokumentationspflicht gilt prinzipiell für geringfügig Beschäftigte (mit der Ausnahme von Minijobbern im Privatbereich) und für Wirtschaftsbereiche, die aufgrund einer erhöhten Missbrauchsgefahr im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannt werden. Zu nennen sind hier etwa Gaststätten, das Baugewerbe, Speditions- und Transportunternehmen (Logistikbereich), Gebäudereinigungsfirmen, der Messebaubereich und Arbeitsverhältnisse in der Fleischindustrie. Zudem muss die Arbeitszeit auch bei Mitarbeitern von Paketdiensten regelmäßig erfasst/dokumentiert werden.
 

Den Pflichten korrekt nachkommen: Was muss in welcher Form notiert werden?

Auf einem Zettel bzw. Vordruck muss der Arbeitgeber bzw. der Mitarbeiter folgende Angaben im Sinne der Dokumentationspflicht machen:

  • Beginn der Arbeitszeit (dies für jeden Arbeitstag)
  • Ende der Arbeitszeit (auch für jeden Arbeitstag)
  • die gesamte und korrekt ermittelte Dauer der täglichen Arbeitszeit (Pausenzeiten sind rauszurechnen und nicht zu dokumentieren)

Grundsätzlich spielt es keine Rolle, ob eine solche Liste handschriftlich oder per Computer erstellt wird. Unterschriften sind von beiden Seiten nicht erforderlich. Der Arbeitgeber hat aber mit der ihm gebotenen Sorgfalt sicherzustellen, dass die Liste korrekt und stets aktuell ist. Die jeweilige Arbeitszeit muss spätestens 7 Tage nach der tatsächlich erbrachten Leistung dokumentiert werden. Die Dokumente bleiben beim Arbeitgeber, wo sie sorgfältig aufbewahrt werden müssen. Es kann in der Praxis durchaus vorkommen, dass die Dokumente bei einer Kontrolle durch den Zoll vorgezeigt werden müssen. Sie sollten also stets aktuell und griffbereit sein.
 

Der Mindestlohn und Tarifverträge: eine kompakte Übersicht

Generell besitzen Tarifverträge nur einen räumlich begrenzten Geltungsbereich. Falls ein Arbeitgeber durch seine Branchenzugehörigkeit an einen Tarifvertrag gebunden ist, so ist der räumliche Geltungsbereich im konkreten Falle zu prüfen. Tarifverträge gelten nur für Mitglieder, die am Abschluss beteiligt waren. Gilt für ein Unternehmen kein unmittelbarer Tarifvertrag, so ist zu klären, ob es gemäß Tarifvertragsgesetz (TVG) einen verbindlichen Vertrag für die Branche gibt. Sofern das Bundesarbeitsministerium einen ausgehandelten Vertrag für allgemeinverbindlich erklärt hat, so gilt dieser auch für alle eigentlich nicht tarifgebundenen Unternehmen in der jeweils betreffenden Branche. Der ausgehandelte Tariflohn wird dann zum Mindestlohn für diese Branche. Natürlich kann dieser Mindestlohn dann auch durchaus höher als 9,50 Euro ausfallen. Ein weiterer Blick ist auf das Arbeitnehmerentsendegesetz zu werfen, das branchenspezifische Mindestlöhne enthält. Dieses Gesetz bestimmt, dass einige Tarifverträge für wenige Branchen in ganz Deutschland gelten. Der hierin vorgesehene Mindestlohn ist unabhängig vom allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen.
 

Finanzielle und rechtliche Risiken für den Arbeitgeber, wenn der gesetzliche Mindestlohn nicht gezahlt wird

Verletzungen der geltenden Rechtslage können mitunter sehr teuer für Arbeitgeber werden. Ungeachtet dessen riskieren sie auch einen Imageschaden, wenn sie nichtmals den Mindeststandard von 9,50 Euro pro Arbeitsstunde zahlen. In Internetforen können sich Umgehungsversuche und Betrugsfälle wie ein nicht mehr zu kontrollierendes Lauffeuer verbreiten. Wer gegen das Mindestlohngesetz verstößt, begeht den Tatbestand des Lohnwuchers, also eine Straftat und Ordnungswidrigkeit. Mitarbeiter, denen nicht der gesetzliche Mindestlohn gezahlt wird, können die Differenz vor dem Arbeitsgereicht einklagen. Auch die Sozialversicherungsträger (Krankenkasse und Rente) können bei einer Prüfung feststellen, dass der Mindestlohn nicht gezahlt wurde. So kann es sein, dass es zu mitunter kostenintensiven Nachzahlungen für die Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung kommt. Rein formal handelt es sich auch um eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer immensen Geldbuße von bis zu 500.000 Euro geahndet werden kann. Die Zollverwaltung soll die Einhaltung des Gesetzes kontrollieren.
 

Fazit und Zusammenfassung: der Mindestlohn für Arbeitgeber

Auch wenn von einem flächendeckenden Mindestlohn seit dem 1.1.2015 die Rede ist, so gibt es immer noch zahlreiche Ausnahmen und Übergangsregelungen, die in diesem Beitrag skizziert wurden. Jeder Arbeitgeber ist demnach gut beraten, seine Pflicht zur Zahlung des Mindestlohnes genau zu prüfen, wozu vor allem etwaig geltende Tarifverträge oder das Arbeitnehmerentsendegesetz heranzuziehen sind. Solche Tarifverträge mit allgemeiner Wirkung sind dem gesetzlichen Mindestlohn bis zum Ablauf der Übergangsfrist vorzuziehen. Eventuell kann durch das Arbeitnehmerentsendegesetz auch eine Tarifbindung zwingend erforderlich sein, obwohl ein Arbeitgeber an sich nicht gebunden bzw. gewerkschaftlich organisiert ist. Mit Blick auf mögliche Strafen, Nachzahlungen und einen drohenden Imageverlust sollten Arbeitgeber ihre unternehmerische Verantwortung an dieser Stelle sehr ernst nehmen. Hierzu gehört vor allem die Dokumentationspflicht der Arbeitszeiten in den dargelegten Branchen. Da aktuell immer wieder Nachbesserungen in der Politik verlangt werden und es ein solches Gesetz in Deutschland noch nicht gab, sollten Arbeitgeber sich auf dem Laufenden halten, um Kenntnis über relevante Änderungen zu erlangen.

Kompaktes Wissen für Arbeitgeber zum aktuellen Thema ‚gesetzlicher Mindestlohn‘

  • der gesetzliche Mindestlohn (9,50 Euro brutto pro Arbeitsstunde, Stand 2021) gilt seit 1.1.2015 flächendeckend
  • er greift nicht für Auszubildende und Jugendliche unter 18 Jahren sowie für bestimmte Eingliederungsmaßnahmen
  • für Saisonarbeiter in der Landwirtschaft gelten Ausnahmen
  • steht im Arbeitsvertrag noch ein niedrigerer Stundenlohn, so haben Mitarbeiter nichtsdestotrotz Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn
  • jeder Arbeitgeber sollte die Ausgangslage prüfen: Welche tariflichen Inhalte sind bindend und dem gesetzlichen Mindestlohn ggf. bis zum Ablauf der Übergangsfrist Ende 2016 vorzuziehen?(man beachte ferner das Arbeitnehmerentsendegesetz mit branchenspezifischen Mindestlöhnen)
  • auch für viele Praktika greift der gesetzliche Mindestlohn in vielen Fällen nicht
  • Dokumentationspflicht für bestimmte Branchen: die geleisteten Arbeitsstunden/-zeiten müssen sorgfältig dokumentiert werden, spätestens jeweils 7 Tage nach geleisteter Arbeit
  • bei möglichen Zollkontrollen sind die Dokumente vorzuzeigen
  • Verletzungen der Gesetzes können ein Bußgeld bis 500.000 Euro und hohe Nachzahlungen zur Folge haben

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