Selbstständige in der Krise – Viel Arbeit für zu wenig Geld​

Erschöpfter Selbstständiger am Schreibtisch
Zuletzt aktualisiert: 08.05.2025

In Deutschland stehen viele Selbstständige vor existenziellen Herausforderungen. Die wirtschaftliche Lage hat sich in den letzten Jahren für sie deutlich verschlechtert. Neben sinkenden Aufträgen und gestiegenen Betriebskosten belasten vor allem die rasant steigenden Mieten die finanzielle Situation vieler Unternehmerinnen und Unternehmer. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen und Auswirkungen dieser Krise und zeigt, wie die Mietentwicklung die Existenz vieler Selbstständiger bedroht.

Die wirtschaftliche Stimmung unter Selbstständigen hat sich in den letzten Monaten deutlich eingetrübt. Der Jimdo-Ifo-Index, der die Geschäftslage von Kleinunternehmern und Freiberuflern misst, fiel im August 2024 auf -18,4 Punkte – der tiefste Stand des letzten Jahres. Besonders betroffen sind Handwerker und Unternehmer im verarbeitenden Gewerbe sowie im Baugewerbe, die mit hohen Energiekosten und einer zurückhaltenden Auftragsvergabe kämpfen. ​

Hinzu kommen strukturelle Probleme wie hohe bürokratische Hürden und steigende Sozialversicherungsbeiträge, die die wirtschaftliche Lage weiter verschärfen. Die Zahl der Selbstständigen in Deutschland ist rückläufig und hat mit 8,4% aller Erwerbstätigen einen historischen Tiefstand erreicht.​
 

Steigende Mieten als zusätzliche Belastung

Ein weiterer Faktor, der die finanzielle Situation vieler Selbstständiger verschärft, sind die stark gestiegenen Mieten. Der Deutsche Mieterbund warnt vor einem drastischen Anstieg der Mieten, insbesondere in Großstädten wie München, wo die Mieten in den letzten Jahren um durchschnittlich 21 Prozent gestiegen sind. Auch in anderen Metropolen kletterten die Mieten im dritten Quartal 2024 um 8,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr

Die Gründe für diesen Anstieg sind vielfältig: Die Baukosten sind aufgrund staatlicher Vorgaben so hoch wie in keinem anderen europäischen Land, was die Bereitstellung von Wohnraum verteuert. Zudem fehlen in Deutschland über eine halbe Million Wohnungen, was die Nachfrage weiter erhöht. ​
 

Folgen für Selbstständige

Für Selbstständige bedeutet die Kombination aus sinkenden Einnahmen und steigenden Ausgaben eine enorme Belastung. Viele müssen einen immer größeren Teil ihres Einkommens für Miete und Nebenkosten aufwenden. Laut einer Studie des Paritätischen Gesamtverbandes geben armutsgefährdete Haushalte mittlerweile 46 Prozent ihres Einkommens für Wohnkosten aus. ​

Ein hoher Mietzins führt dazu, dass viele Selbstständige ihre Geschäftsräume aufgeben oder in günstigere, aber weniger geeignete Lagen umziehen müssen. Einige sehen sich sogar gezwungen, ihre Selbstständigkeit ganz aufzugeben und in abhängige Beschäftigungsverhältnisse zu wechseln, um ihre Existenz zu sichern.


Wenn Sicherheiten wegbrechen

Selbstständigkeit bedeutet Unabhängigkeit, Gestaltungsspielraum – und Verantwortung. Viele Selbstständige gehen mit großem Idealismus und Engagement an den Start. Doch sobald eine Krise eintritt, zeigt sich, wie verletzlich dieses Modell sein kann. Aufträge bleiben aus, Kunden sind verunsichert oder haben selbst weniger Budget. Fixkosten wie Miete, Versicherungen und Steuern laufen weiter – oft ohne Einnahmen auf der anderen Seite.

Hinzu kommt: Selbstständige haben in der Regel keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I, viele auch nicht auf ALG II, und gesetzliche Absicherungen bei Krankheit oder Erwerbsunfähigkeit greifen nur, wenn sie zusätzlich abgeschlossen wurden. Das führt schnell in eine finanzielle und emotionale Ausnahmesituation.
 

Die typischen Herausforderungen in der Krise

Nicht jede Krise ist gleich – aber gewisse Muster wiederholen sich:

  • Liquiditätsengpässe: Wenn keine Rücklagen vorhanden sind, reichen oft schon wenige Wochen mit geringem Umsatz, um in Zahlungsschwierigkeiten zu geraten.
  • Kundenrückgang: Besonders in Krisenzeiten denken Unternehmen über ihre Budgets nach – und oft sind es externe Dienstleistungen, die zuerst gestrichen werden.
  • Psychischer Druck: Die Unsicherheit, die Existenzangst und das Gefühl, „selbst schuld“ zu sein, belasten viele Selbstständige stark.
  • Rechts- und Steuerfragen: Kurzarbeit, Steuerstundungen, Anträge auf Soforthilfe – viele wissen nicht, worauf sie Anspruch haben oder wie sie die nötigen Unterlagen beschaffen sollen.
  • Fehlende Netzwerke: Gerade in der Krise ist es entscheidend, sich austauschen und gegenseitig unterstützen zu können. Doch viele Selbstständige arbeiten isoliert.


Wie können Selbstständige Krisen überstehen?

So unterschiedlich Selbstständige sind, so unterschiedlich sind ihre Möglichkeiten. Doch es gibt Wege, sich zumindest etwas abzusichern oder sogar gestärkt aus einer Krise hervorzugehen:

Finanzen professionell aufstellen

Ein ehrlicher Blick auf Einnahmen, Ausgaben und mögliche Rücklagen ist der erste Schritt. Wer keine Buchhaltung führt oder keine monatliche Übersicht hat, kann keine fundierten Entscheidungen treffen. Professionelle Unterstützung durch Steuerberater oder Coaches kann hier den Unterschied machen.

Neue Geschäftsmodelle denken

Manche Geschäftsmodelle funktionieren in der Krise nicht – oder nicht mehr. Wer kreativ bleibt, kann Chancen entdecken: Online-Angebote, digitale Beratung, neue Zielgruppen, Kooperationen oder eine Spezialisierung auf krisenresistente Bereiche wie Bildung, Gesundheit oder nachhaltige Produkte.

Netzwerke aufbauen

Ob Online-Foren, Branchenverbände oder lokale Gründerinitiativen: Der Austausch mit anderen Selbstständigen ist enorm wertvoll – emotional und praktisch. Tipps, Kontakte und gegenseitige Motivation helfen durch schwere Phasen.

Förderungen und Hilfsprogramme nutzen

Ob KfW-Kredite, Landesprogramme oder Weiterbildungszuschüsse: Wer sich informiert, kann finanzielle Hilfen oder Investitionszuschüsse erhalten. Wichtig ist, nicht zu lange zu warten – und die Anträge sorgfältig vorzubereiten.

Psychische Gesundheit ernst nehmen

Viele Selbstständige versuchen, alles allein zu schaffen – und brennen dabei aus. Wer rechtzeitig Hilfe sucht, z. B. bei Beratungsstellen, Coaches oder Therapeut:innen, schützt sich und seine Existenz langfristig.

 

Politische Maßnahmen und Forderungen

Angesichts der prekären Lage fordern Verbände und Betroffene politische Maßnahmen zur Entlastung von Selbstständigen. Der Deutsche Mieterbund plädiert für einen Mietenstopp im Bestand, eine scharfe Mietpreisbremse für Neuvermietungen und das Verbot von Indexmieten. Zudem wird ein staatliches Förderprogramm mit einem Zinssatz von höchstens zwei Prozent gefordert, um den Wohnungsbau anzukurbeln.

Auch die Bundesregierung ist gefordert, die Schaffung bezahlbaren Wohnraums ganz oben auf ihre Prioritätenliste zu setzen. Nur durch eine Kombination aus wirtschaftlicher Unterstützung für Selbstständige und Maßnahmen gegen den Mietanstieg kann die Abwärtsspirale gestoppt werden.
 

Fazit

Die Krise der Selbstständigen in Deutschland ist vielschichtig und wird durch die steigenden Mieten zusätzlich verschärft. Um die Vielfalt selbstständiger Unternehmensformen zu bewahren und die wirtschaftliche Erholung zu fördern, sind dringend politische Maßnahmen erforderlich. Nur so kann verhindert werden, dass immer mehr Selbstständige ihre Existenzgrundlage verlieren.​

Wichtig: Das ändert sich bei Ihrer Krankenversicherung, wenn Sie selbstständig sind

Als Selbstständige/r oder Freiberufler/in sind Sie nicht mehr automatisch in der gesetzlichen Krankenkasse (GKV) pflichtversichert. Sie müssen sich nun aktiv für eine Form der Krankenversicherung entscheiden. Die Beitragshöhe in der GKV orientiert sich am Einkommen. Die Kosten für Selbstständige betragen in diesem Jahr zwischen ...

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