Strategischer Einkauf: von den großen Firmen lernen

Einkaufsstrategie

Kleine und mittlere Unternehmen haben beim Thema Einkauf ein erhebliches Einsparpotenzial. Voraussetzung dafür ist, dass sie sich mit dem Thema auseinandersetzen. Allerdings sind die zuständigen Personen in den Unternehmen oder die jeweiligen Abteilungen häufig mit anderen Aufgaben befasst. In vielen Unternehmen überwiegen die operativen Tätigkeiten, wie das Schreiben von Anfragen, Preis- und Konditionenverhandlungen oder die Abwicklung von Bestellungen. Für einen strategischen Überblick sowie damit einhergehende Einsparungen bleibt keine Zeit. Studien zufolge verschenken kleine Unternehmen damit jedes Jahr mehr als 150 Millionen Euro.

Beschaffung als strategische Aufgabe begreifen

Erstklassiges Beschaffungs- und Wertschöpfungsmanagement findet in vielen Unternehmen überhaupt nicht statt. Eine Minderheit der Unternehmen sieht in der Beschaffung eine strategische Aufgabe, die Wettbewerbsvorteile mit sich bringt. Wenn Sie eine hohe Materialaufwandsquote in Ihrem Unternehmen haben, sollten Sie den Einkauf als Chefsache betrachten. Jeder beim Einkauf eingesparte Euro erhöht Ihren Gewinn. Laut einer Umfrage des BME (Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik) machen nur etwa 37 Prozent der Unternehmen Gebrauch von elektronischen Ausschreibungen, in kleineren und mittleren Unternehmen sinkt diese Quote auf unter 30 Prozent.
 

Ein weiterer Fehler: zu viele Lieferanten

Viele Unternehmen begehen auch den Fehler, das Beschaffungsvolumen auf zu viele Lieferanten zu verteilen. Sie wollen damit eine Abhängigkeit von einem einzelnen Lieferanten vermeiden. Besser ist es, wenn Sie beispielsweise das Beschaffungsvolumen für eine Warengruppe an einen Lieferanten vergeben, anstatt einzelne Häppchen an viele zu verteilen. Dabei können Sie die Aufträge einmal an das eine und dann an ein anderes Mitglied Ihres Lieferantenpools vergeben.

Tipp: Optimierte Beschaffungsprozesse erhöhen Ihre Effizienz, minimieren die Kosten, reduzieren den Kapitalbedarf und steigern somit die Rendite Ihres Unternehmens. Damit lässt sich die Materialeffizienz um bis zu 20 Prozent erhöhen.


Best-Practice-Studien auf kleine Unternehmen anwendbar

Mithilfe von Benchmarking vergleichen sich die Unternehmen einer Branche miteinander. Dabei errechnen sie Kennzahlen sowie Prozesskennzeichen, um diese Vergleiche zu erleichtern. Mithilfe von Best-Practice-Studien lassen sich Unternehmensbereiche wie Finanzen, Logistik und Produktion anhand quantitativer Kennzahlen beschreiben. Allerdings beschreiben quantitative Kennzahlen nicht die Qualität des Einkaufs und geben lediglich die temporäre Entwicklung eines Unternehmens wieder. Dennoch eigenen sie sich gut für einen Vergleich zwischen verschiedenen Unternehmen. Für die Bewertung in der Beschaffung sind folgende Fragen essenziell:

  • Haben Sie die Problemstellung korrekt identifiziert? Das heißt, dass Sie das Problem erkannt und entsprechende Maßnahmen definiert haben.

  • Arbeiten Sie an der Implementierung der Maßnahmen? Das bedeuten, dass Sie die Maßnahmen tatsächlich umsetzen.

  • Haben die Maßnahmen Erfolg?
     

So sieht die ideale Beschaffung aus

In der Beschaffung haben sich in den verschiedenen Unternehmen immer wieder dieselben Problembereiche herauskristallisiert. Sie lassen sich in drei Ebenen einteilen und weiter strukturieren.
 

Oberste Ebene – die gestaltenden und lenkenden Prozesse

Zu den gestaltenden und lenkenden Prozessen zählt eine Beschaffungsstrategie. Diesbezüglich ist die Frage wichtig, wie Sie in Ihrem Unternehmen die Beschaffungsfunktion betrachten und welche Strategien Sie in der Unternehmensleitung verfolgen. Die Beschaffungsorganisation zeigt, welche Ablauforganisation Ihrer Beschaffung zugrunde liegt und wie Ihre Einkaufsabteilung aufgebaut ist.
 

Zweite Ebene – die eigentlichen operativen Prozesse in der Beschaffung

Beim strategischen Beschaffungsmanagement geht es darum, nach welchen Kriterien Sie neue Lieferanten identifizieren und auswählen. Lieferantenmanagement und -entwicklung gehören ebenfalls zu diesem Bereich. Dabei ist essenziell, wie Sie die bestehenden Lieferantenbeziehungen pflegen. Zu den operativen Prozessen zählt auch die tägliche Bestellabwicklung.
 

Die dritte Ebene – Support-Prozesse

Support-Prozesse unterstützen die Beschaffungsprozesse. Das umfasst die Leistungsmessung sowie das Informationsmanagement. Konkret bezieht sich das darauf, mit welcher EDV Sie Ihre Einkaufstätigkeit unterstützen.
 

Wie gestaltet sich das in kleinen und mittelständischen Unternehmen?

Best Practices sind nicht von der Unternehmensgröße abhängig. In der Realität sieht das allerdings anders aus. Die Studien sind in ihren Aussagen sehr akademisch formuliert und in kleinen Unternehmen mit sehr begrenzten personellen Kapazitäten oft nicht durchführbar. Die Beschaffung stellt dort einen Teil des Tagesgeschäftes dar. Für längerfristige Planungen bleibt meist keine Zeit. Hier reduziert sich der Einkauf auf die operative Abwicklung der Bestellungen sowie die Auswahl der Lieferanten durch den direkten Vergleich der Angebote.
 

Welchen Nutzen haben kleinere Unternehmen von einer Best-Practice-Untersuchung?

Manche Punkte aus Best-Practice-Untersuchungen lassen sich direkt auf kleine und mittelständische Unternehmen übertragen. Andere Punkte müssen Sie modifizieren.
 

Formulieren einer Beschaffungsstrategie

In großen, führenden Unternehmen existiert eine klar formulierte Beschaffungsstrategie. Sie steht im Einklang mit der gesamten Unternehmensstrategie und unterstützt diese. Darin ist eine klare Zielsetzung formuliert, wohin es in Bezug auf die Beschaffung im Unternehmen gehen soll.

Kleine und mittelständische Unternehmen haben selten eine formal dargestellte Strategie. Hier ist Ihre Vision als Unternehmer der Leitfaden für die täglichen Entscheidungen. Als Unternehmer sind Sie in einem kleinen oder mittelgroßen Unternehmen viel näher am Tagesgeschäft, wodurch sich die Formulierung einer Strategie erübrigt. Dabei herrscht allerdings die Gefahr, dass Sie sich auf andere Unternehmensbereiche fokussieren, wie die Technologie oder den Vertrieb. Der Einkauf spielt dann lediglich eine untergeordnete Rolle. Es gibt weder langfristige Vorgaben noch Zielvereinbarungen.
 

Langfristige Überlegungen für kleine und mittelgroße Unternehmen

Der Einkauf hat eine hohe wirtschaftliche Bedeutung. Sie sollten sich dort einschalten und eine Strategie entwickeln für die Beschaffung von wirtschaftlich wichtigen Materialgruppen und für strategisches Material, welches Sie nur von wenigen Lieferanten beziehen können. Entwickeln Sie klare Leitlinien und Zielsetzungen. Anderenfalls laufen Sie Gefahr, dass zu hohe Beschaffungskosten entstehen oder Sie selbst in Lieferschwierigkeiten geraten. Folgende Beschaffungsstrategien gibt es:

  • Langfristige und dokumentierte Verträge mit Ihren Lieferanten sichern den Einkauf strategischer Materialien.

  • Material mit hohem Lohnkostenanteil beschaffen Sie unter Umständen besser in Niedriglohnländern.
     

Welche Position hat Ihr Unternehmen in der Wertschöpfungskette?

In mittelständischen Unternehmen ist es oft so, dass viele Glieder der Wertschöpfung im Unternehmen integriert sind. Doch eine hohe Wertschöpfungstiefe ist nicht immer empfehlenswert. Sie müssen sich über Ihre Kernkompetenz im Klaren sein und hinsichtlich nicht strategischer Wertschöpfungsschritte über Outsourcing nachdenken. Das Auslagern bestimmter Schritte in der Produktion ist sicherlich kein Allheilmittel, kann aber dazu beitragen, die Kernkompetenz zu stärken sowie die Kosten zu senken. Dabei spielt nicht nur der Kostenvergleich eine wichtige Rolle, sondern ebenso der Gewinn an Know-how bei der Nutzung externer Partner. Sie können nicht in allen Fertigungs- und Produktionstechnologien auf dem neuesten Stand sein. Mit einem guten Lieferanten erreichen Sie am Ende sogar eine Qualitätssteigerung. Denn dieser bringt sein Wissen gerne ein.
 

Best Practice – nachhaltiges Bewusstsein für die Bedeutung des Einkaufs

In kleinen und mittelständischen Unternehmen geht es in erster Linie nicht darum, eine formale Strategie zu formulieren. Wesentlicher ist das Bewusstsein bei der Unternehmensleitung für die Wichtigkeit und die enorme strategische Bedeutung des Einkaufs. Daraus resultiert für Sie die Notwendigkeit, sich an essenziellen Entscheidungen zu beteiligen und die besten Rahmenbedingungen zu schaffen.
 

Rahmenbedingungen für die Beschaffung – die Beschaffungsorganisation

In mittelständischen Unternehmen kümmert sich in der Regel die Einkaufsabteilung um die Beschaffung. Die wenigsten Unternehmen legen allerdings Wert auf die Qualität und die Qualifizierung des Personals. Dabei handelt es sich allerdings um eine wichtige Funktion mit einer großen wirtschaftlichen Bedeutung. Die Fachabteilungen suchen die Lieferanten und betreuen sie, der Einkauf kümmert sich eigentlich nur um die reine Abwicklung der Bestellungen. In erfolgreichen Unternehmen haben die Beschaffungsfunktion und deren Organisation den Stellenwert, welcher der wirtschaftlichen Bedeutung entspricht:

  • Der Leiter im Einkauf ist der Fertigung oder anderen Fachabteilungen gleich- oder höhergestellt. Berichte gehen direkt an die Geschäftsleitung. Das stellt sicher, dass die Beschaffungsprozesse sowie die damit einhergehenden kaufmännischen Interessen mit der gleichen Wichtigkeit behandelt werden. Die weit verbreitete Ansicht, dass die Fachabteilungen auch wirtschaftliche Interessen berücksichtigen, hat sich im unternehmerischen Alltag nicht bestätigt. Die Fachabteilungen sehen überwiegend den technischen Aspekt.

  • Systematisches Personalmanagement unterstützt die Organisation der Beschaffung. Hat ein Einkäufer keine oder nur unzureichende Englischkenntnisse, muss seine Arbeit auf den deutschen Markt beschränkt bleiben. Hat ein Einkäufer kein technisches Verständnis, kann er den Beschaffungsmarkt nicht richtig bewerten. Neue Trends und Innovationen bleiben dann meistens außen vor. Verfügen Einkäufer nicht über ausreichende soziale Kompetenzen, kommt oft die Kommunikation mit internen Kunden, das heißt den Fachabteilungen, zu kurz.

  • In großen Unternehmen erfolgt in regelmäßigen Abständen eine Bewertung der einzelnen Abteilungen. Durch finanzielle Anreize, beispielsweise als Prämie oder variabler Gehaltsanteil, sollen höhere Leistungen erreicht werden. In kleineren Unternehmen sollten regelmäßige Zielvereinbarungen genügen. Dabei spiegeln die Ziele den operativen Einkaufserfolg wider und zeigen, wie gut die strategischen Maßnahmen umgesetzt wurden. Sie können quantitative Ziele vereinbaren, etwa prozentuale Einsparungen oder verbesserte Zahlungskonditionen. Aber auch qualitative Zielsetzungen sind möglich, wie beispielsweise die Lieferantensuche in neuen Märkten.
     

Die operativen Beschaffungsprozesse

Der Einkauf hat seine Kernaufgabe in der Suche und Qualifizierung langfristig vorteilhafter Lieferanten. Überdies sind das Management der vorhandenen Lieferantenbasis und die operative Bestellabwicklung wesentliche Aufgaben. Aus der Best-Practice-Analyse von Großunternehmen sind einige Ergebnisse auch für kleine Betriebe von Interesse.

  • Die aktive Suche nach potenziellen Lieferanten sollte ein wichtiger Teil der Arbeit sein. Das Festhalten an bekannten Zulieferern ist nicht immer ideal. Allerdings darf dies nicht zu Wechselhaftigkeit führen oder dazu, dass die Fähigkeit für langfristige Partnerschaften abhandenkommt. Wichtig ist, die Beschaffungsmärkte stets gut zu beobachten sowie Informationen über neue Marktteilnehmer einzuholen.

  • Es ist gängige Praxis, mehrere Angebote einzuholen und aufgrund eines direkten Preisvergleichs zu entscheiden. Viel besser ist es, anhand der Wettbewerbssituation und Ihrer Position am Markt eine Beschaffungsstrategie zu entwickeln. Dazu können Sie sich beispielsweise der Ausschreibung bedienen oder die Beschaffung über Dienstleister abwickeln.

  • Bei einem Preisvergleich sollten Sie nicht nur die Preise direkt miteinander vergleichen. Zu berücksichtigen sind die Gesamtkosten (Total Cost). Ebenfalls spielen dabei Transport, Zölle, interne Abwicklungskosten, Betreuungsaufwand und einige weitere Kosten eine Rolle. In vielen Fällen argumentieren Mitarbeiter aus Kostengründen für einen Lieferantenwechsel. Mit konkreten Zahlen erhalten Sie eine wirklich objektive Entscheidungsgrundlage.

  • Preis- und Konditionenverhandlungen mit den Lieferanten vernachlässigen viele kleine Unternehmen. Das Tagesgeschäft nimmt zu viel Aufmerksamkeit in Anspruch. Es ist jedoch wichtig, dass Sie vor den Verhandlungen Ihre aktuelle Situation definieren. Wie sind die aktuellen Preise, Konditionen und die Qualität des Lieferanten? Was mchten Sie beim Lieferanten erreichen, welche Mindestvoraussetzungen sind zu erfüllen? Diese Überlegungen sollten Sie auf einem Formblatt dokumentieren. Die Aufzeichnungen helfen, das Verhandlungsgespräch besser zu strukturieren und Ihre Kommunikation zu verbessern.

  • Auch wenn Sie denken, Ihr Geschäftsvolumen sei relativ klein, können Sie dennoch an der Lieferantenentwicklung arbeiten. Die Zulieferer sind in der Regel dankbar für Anregungen, um beispielsweise in neue Geschäftsfelder einzutreten. So kann ein Lieferant, der normalerweise ausschließlich Einzelteile liefert, beispielsweise auch einfache Montagearbeiten übernehmen und sich zum Komponentenlieferanten entwickeln. Für Sie bedeutet das einen geringeren Logistikaufwand.

  • Es lohnt sich auch in kleinen Unternehmen, sich mit Beschaffungsaufgaben zu befassen und nicht einfach nur Bestellaufgaben zu erledigen. Wenn Sie mit Ihren Lieferanten einen Rahmenvertrag ausgehandelt haben, müssen Sie sich nicht selbst um jede Bestellung kümmern. EDV-Lösungen können dabei helfen, aufwendige Korrespondenz sowie Ablagen zu vereinfachen. Die Kommunikation mit Ihren Lieferanten lässt sich per E-Mail deutlich effizienter gestalten.

Zusammenfassung

Auch mittelständische Unternehmen, die nur über wenig Personal verfügen, können von den Beschaffungspraktiken großer Unternehmen lernen. Sie dürfen sich dabei nicht von der Formalisierung abschrecken lassen, die sich meist tatsächlich in kleinen Betrieben nicht umsetzen lässt. Durch die nachhaltige Reduzierung interner und externer Kosten in Zusammenhang mit der Beschaffung stärken Sie die Position des Einkäufers in Ihrem Unternehmen. Diese Aufgabe wird gleichzeitig interessanter und vielseitiger.

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