Hybride Selbstständigkeit? Tendenzen & Chancen

Lässiger Mann lacht in Kamera

Selbstständig und gleichzeitig angestellt? Auf den ersten Blick scheint das ein Widerspruch zu sein. Aber aktuelle Entwicklungen zeigen, dass hunderttausende in Deutschland hybrid selbstständig sind. Sie gehen somit einer abhängigen und unabhängigen Form der Beschäftigung nach. Dieser Beitrag zeigt, was es mit dem Thema ‚hybride Selbstständigkeit‘ auf sich hat und welche Fragen bzw. Herausforderungen sich aus dieser Entwicklung ergeben.

Auf diese Fragen gibt der folgende Beitrag Antworten:

  • Was bedeutet hybride Selbstständigkeit?

  • Wie viele Menschen sind hybrid selbstständig?

  • Welche Faktoren begünstigen hybride Selbstständigkeit?

  • Welche Problemfelder sind für hybrid Selbstständige zu beachten?

Analyse der Ausgangslage: Definition ‚hybride Selbstständigkeit‘

Bei hybriden Selbstständigen handelt es sich um Menschen, die einem Job nachgehen und nebenbei noch eine selbstständige Tätigkeit ausüben. Von einem Gleichgewicht beider Tätigkeiten bis hin zu einem deutlichen Ungleichgewicht sind viele individuelle Ausprägungen denkbar. Der Regelfall ist, dass es sich um eine nebenberufliche Selbstständigkeit handelt, aus der sich langfristig hauptberufliche Perspektiven ergeben können. Als grundsätzlich problematisch anzusehen ist, dass sich aus der hybriden Selbstständigkeit Unklarheiten mit Blick auf die Krankenversicherung ergeben können. Denn für die richtige Einordnung muss eine ‚Haupttätigkeit‘ benannt werden.

Insgesamt ist seit längerem die Tendenz festzustellen, dass sich in Deutschland immer mehr Menschen nebenberuflich selbstständig machen, was grundsätzlich dem Konstrukt der hybriden Selbstständigkeit entspricht. Gegen Ende des zweiten Jahrzehnts des neuen Jahrtausends hatte mehr als 750.000 Menschen in Deutschland abgesehen von ihrer Selbstständigkeit von einen abhängigen Job. Seit Anfang der 90er Jahre hat die Anzahl der hybrid Selbstständigen somit stark zugenommen, wie es auch an der folgenden Grafik abzulesen ist:


Quelle: Institut für Wirtschaftsforschung Bonn


Mittlerweile sind demnach gut 17 % aller Existenzgründer hybrid selbstständig. Es handelt sich um eine nachhaltige Entwicklung in der Gesellschaft. Generell ist in diesem Kontext auch die Entwicklung zu sehen, dass immer mehr Menschen nicht mehr nur einen, sondern mehrere Jobs ausüben. Ein näherer Blick auf die Zahlen zur hybriden Selbstständigkeit zeigt, dass diese Form der Existenzgründung vor allem bei Jüngeren beliebt sind. Etwa ein Drittel aller Selbstständigen zwischen 15 und 34 Jahren übt auch eine abhängige Beschäftigung aus.
 

Hybride Existenzgründung als strategische Option?

Eigentlich liegt es in der Natur des Schrittes in die Selbstständigkeit, frei und unabhängig entscheiden zu können. Davon kann im Falle der hybriden Selbstständigkeit aber nur bedingt die Rede sein. Warum also schränken sich Selbstständige selber ein? Handelt es sich um eine nebenberufliche Gründung, so lässt sich der finanzielle Druck erheblich senken, denn das Haupteinkommen kann weiter bezogen werden. Läuft das Geschäft auf einer soliden Basis, kann die Anstellung zugunsten der hauptberuflichen Selbstständigkeit aufgegeben werden.

Auf der anderen Seite kann die Startphase nach dem Schritt in die Selbstständigkeit sehr heikel sein. Eine Nebenjob kann dann ein wichtiger finanzieller Faktor sein, um die Einnahmebasis zu erhöhen bzw. wichtige Kosten (vor allem für den Lebensunterhalt) decken zu können. Hier zeigt sich, dass es viele Motive und konkrete Lebenssituationen geben kann, um eine hybride Form der Selbstständigkeit einzugehen. Fraglich ist, ob es sich dabei um ein auf Dauer angelegtes Modell handeln kann? Denn schließlich geht mit der zweifachen Arbeit eine doppelte Belastung einher. Und der Koordinationsaufwand wird nicht selten dazu führen, dass Freizeit- und Privatleben zu kurz kommen. Das deutlich häufigere Szenario ist, dass sich Menschen neben ihrer abhängigen Tätigkeit selbstständig machen. Immerhin sind mehr als 100.000 hauptberufliche Selbstständige nebenbei auch abhängig beschäftigt.
 

Was zeichnet hybride Selbstständige aus?

Untersuchungen legen nahe, dass hybride Selbstständige im Durchschnitt betrachtet einen höheren Bildungsabschluss innehaben als die reinen Selbstständigen. Fast jeder dritte hybride Selbstständige wirkt in den Bereichen Unterricht/Erziehung sowie bei der Erbringung von technischen, wissenschaftlichen oder freiberuflichen Dienstleistungen. Auch das Sozial- und Gesundheitswesen spielt in dieser Entwicklung eine zentrale Rolle.

Fast 50 % der hybriden Selbstständigen geht dieser Erwerbskombination über einen längeren Zeitraum nach. Etwa 25 % der Betroffenen geben die selbstständige Tätigkeit nach einer gewissen Zeit wieder auf. Nur etwas mehr als 10 % kündigt die abhängige Beschäftigung, um sich voll und ganz der hauptberuflichen Selbstständigkeit widmen zu können.
 

Problemfelder der hybriden Selbstständigkeit?

Grundsätzlich müssen hybride Selbstständige eine höhere Arbeitsbelastung meistern, sodass Freizeit und notwendiger Ausgleich oft zu kurz kommen. Gerade langfristig gesehen können sich hieraus ernsthafte gesundheitliche Probleme ergeben. Durch den unterschiedlichen Status kann es zu Problemen in den sozialen Sicherungssystemen kommen. Nicht immer sorgen hybrid Selbstständige ausreichend vor, um im Alter eine eventuelle Versorgungslücke schließen zu können. Wissenschaftler des IfM Bonn fordern die Politik auf, die strikte Trennung je nach Status in der sozialen Sicherung zugunsten einer Erwerbstätigenversicherung aufzugeben. Eine solche Erwerbstätigenversicherung könnte dann sowohl abhängige als auch unabhängige Formen der Beschäftigung anerkennen. Es ergäben sich auch keine Unklarheiten in Bezug auf die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung. Grundsätzlich müssen sich alle Selbstständigen seit 2009 verpflichtend krankversichern lassen. Ob die selbstständige oder abhängige Tätigkeit hierfür maßgeblich ist, lässt sich im Einzelfall nicht immer zweifelsohne sagen.
 

Welche Faktoren begünstigen die Entwicklung hin zur hybriden Selbstständigkeit?

Experten betonen, dass diese Entwicklung seit vielen Jahren schon zu beobachten ist. In erster Linie kommt eine hybride Selbstständigkeit strukturell zustande, wenn die abhängige Beschäftigung auch weiterhin ausgeübt wird. Studien weisen darauf hin, dass Selbstständige im Laufe ihrer Tätigkeit eher seltener eine abhängige Beschäftigung aufnehmen. Gerade bei Gründerinnen fällt auf, dass etwa jede zweite an dieser Form der Selbstständigkeit dauerhaft festhält. Auch wenn es den Anschein hat, so ist die hybride Selbstständigkeit in den wenigsten Fällen ein langfristiges Sprungbrett zu einer hauptberuflichen Selbstständigkeit in Vollzeit. Beendet ein hybrider Selbstständiger seine Tätigkeit, so tut er dies in der Regel binnen 3 Jahren. Das ist deutlich kürzer als ein Selbstständiger, der keiner abhängigen Beschäftigung mehr nachgeht.

Von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen her hat das in Mode gekommene Outsourcing vor allem für die Entwicklung hin zu einer hybriden Form der Selbstständigkeit gesorgt. Viele Tätigkeiten werden ausgelagert und von Selbstständigen übernommen. Einige Politiker sehen diese Entwicklungen sehr kritisch, zumal sich schnell im Falle der Weisungsgebundenheit an nur einen Auftraggeber eine Scheinselbstständigkeit ergeben kann. Angesichts dessen muss der Status der unabhängigen Tätigkeit zweifelsfrei feststehen, um überhaupt von einer hybriden Selbstständigkeit sprechen zu können.
 

Formale Rahmenbedingungen kritisch hinterfragt

Hybride Selbstständigkeit heißt in vielen nichts anderes, als hauptberuflich angestellt und nebenberuflich selbstständig zu sein. Krankenkassen fällt es oft schwer festzustellen, ob ein Selbstständiger versicherungspflichtig ist bzw. welche der beiden Tätigkeiten wirtschaftlich wichtiger ist. Wirtschaftliche Relevanz und der Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit sind in diesem Kontext wichtige Begriffe. Falls die selbstständige Tätigkeit die abhängige in wesentlichen Punkten um 20 % laut einer Empfehlung der AOK übersteigt, ist von einer hauptberuflichen Selbstständigkeit auszugehen. Das hätte zu Folge, dass Beiträge für die freiwillige oder die private Krankenversicherung zu leisten wären.
 

Werte zur Abgrenzung

Wer regelmäßig mehr als 18 Stunden in der Woche nebenher selbstständig arbeitet, wird diesen Hinzuverdienst nicht ohne weiteres an der Krankenkasse vorbeiführen können. Ab einem bestimmten Zeitpunkt greift der Versicherungsschutz über das Angestelltendasein nicht mehr. Anders herum erlaubt es das System Selbstständigen nicht, einen Job in der so genannten Gleitzone anzunehmen und so sehr kostengünstig die ansonsten für Selbstständige teure Krankenversicherung abzuwickeln. Im Einzelfall ist also zu klären, was der Haupt- und Nebenverdienst sein soll. Selten werden beide Tätigkeiten gleichwertig nebeneinander ausgeführt werden können, zumal das jetzige Systeme für solche modernen Formen der hybriden Selbstständigkeit nicht wirklich Konzepte geschweige denn Lösungen bereithält. Sollte diese Erwerbsform in Zukunft eine noch größere Rolle spielen, müsste das Sozialversicherungssystem wohl grundlegend reformiert werden.
 

Zusammenfassung: Diese Fragen stellen sich zur hybriden Selbstständigkeit

Was bedeutet hybride Selbstständigkeit?

Hierbei handelt es sich um Selbstständige, die auch einer abhängigen Beschäftigung nachgehen. In der Mehrheit der Fälle handelt es sich rein formal betrachtet um nebenberuflich Selbstständige, die ihr Gehalt aufbessern oder sich langfristig ein zweites Standbein aufbauen wollen.
 

Wie viele hybride Selbstständige gibt es in Deutschland?

Untersuchungen gehen von einer Anzahl von etwa 800.000 aus, was ca. 17 % aller Selbstständigen in Deutschland entspricht – Tendenz steigend!
 

Warum gibt es immer mehr hybride Selbstständige?

Hier sind in erster Linie strukturelle Ursachen zu nennen, die von zahlreichen Unternehmen ausgehen: Sie lagern immer öfter Funktionen/Leistungen aus, die dann von Experten extern auf selbstständiger Basis übernommen werden. Durch die stabile Konjunktur zwischen 2011 und 2019 ist die Entwicklung gerade gegen Ende des neuen Jahrzehnts aber etwas gebremst worden.
 

Hybride Selbstständigkeit: Welche Gefahren sind zu bedenken?

Experten warnen davor, dass es im Bereich der Altersvorsorge für hybride Selbstständige zu einer Unterversorgung kommen kann. Zudem seien viele selbstständige Tätigkeiten prekärer Natur, was eine langfristige Planbarkeit erschwert. Kritisch anzusehen ist auch, dass mehr als 1 Million Selbstständige nur einen Verdienst unterhalb des gesetzlichen Mindestlohnes erzielen. Auch dadurch ist keine auskömmliche Altersversorgung möglich.

Selbstständig und angestellt: Was passiert mit der Krankenversicherung?

Hier gilt es, im Einzelfall sehr genau hinschauen und Verdienst und Zeitaufwand gegenüberzustellen. Auch wenn Krankenversicherungen im Einzelfall zu abweichenden Einschätzungen kommen können, so erweisen sich folgende Grundregeln als gute Orientierung: Die Tätigkeit, die deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt mehr Gehalt einbringt, ist als hauptberuflich zu sehen. Die Krankenversicherung müsste dann über diese Tätigkeit abgewickelt werden. Im Falle der nebenberuflichen Selbstständigkeit ist zu beachten, dass der Zeitaufwand in der Regel 18 Stunden pro Woche nicht überschreiten darf. Die bestehende Krankenkasse sollte in jedem Falle informiert werden.

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